"Es wird zu wenig umverteilt!"
Nicht wenige Zeitgenossen sehen die mangelhafte Umverteilung als Ursache für die seit 1980 sinkenden Reallöhne. "Die Reichen werden reicher" sagen sie. Dies stimmt zwar, hat mit einer mangelhaften Umverteilung aber wenig zu tun.
Denn schon heute liegt die Abgabenlast vieler Besserverdiener weit oberhalb der 50-Prozent-Marke. Nur über Kunstgriffe gaukelt man den Bürgern vor, die 50-Prozent-Marke nicht zu überschreiten: So werden zum Beispiel die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen vom eigentlichen Bruttolohn ausgeklammert und bleiben bei der Berechnung der Abgabenquote unberücksichtigt - obwohl sie doch eindeutig zu den Lohnkosten dazuzählen. Würde man die Arbeitgeberanteile mitzählen, hätten viele Leistungsträger längst über 60 % Abzüge.
Umverteilt
wird wahrlich genug!
Inzwischen
geht es vielen
Hartz-IV-Familien
besser als Normalverdienern,
auf jeden Fall aber besser als Geringverdienern. Aber umverteilt wird
ja nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern immer mehr auch
innerhalb Europas. Selbst
viele Spitzenpolitiker klagen, wie sehr sich doch die EU zur
Transferunion gewandelt hat. So fällt es auch kaum weiter
auf, dass inzwischen selbst Ärzte, Apotheker oder
Wissenschaftler real 20 bis 50 % weniger verdienen als
1980.
Nicht den Besserverdienern, sondern vor allem manchen Superreichen (also höchstens 1 % der Bevölkerung) geht es heute besser als vor 40 Jahren. Und das ist die Folge des globalen und innereuropäischen Dumpingwettbewerbs, der erst durch den Zollabbau ermöglicht wurde. Die Globalisierung und die EU bereitet Supereichen und Spekulanten die perfekte Spielwiese für ihr "befreites" Kapital. Und die Superreichen (und Konzerne) sind nicht zu fassen - sie können dank Deregulierung und Liberalisierung stets dorthin gehen, wo die geringsten Steuern anfallen. Ganz legal, denn man kann diese Leute schließlich nicht einsperren.
Ergo:
Umverteilt wird wahrlich genug, daran hapert es nicht. Schuld an
steigenden Staatsschulden und sinkenden Arbeitseinkommen und Renten
ist in erster Linie der Zollabbau, der das Kapital von allen
Anstandsregeln und Fesseln befreit und die Staaten und Menschen
dieser Welt gegeneinander ausspielt.
Warum tut sich die Politik so schwer, dies öffentlich
einzugestehen? Doch nur, weil damit ihre verlogene
Wohlstandspropaganda unglaubwürdig würde ("der
EU, dem Euro und der Globalisierung verdanken wir unseren
Wohlstand").
"Umverteilung
von unten nach oben!"
Manch
entrückte linke Politiker und Journalisten wollen dem Wahlvolk
gar einreden, in Deutschland werde von unten nach oben
umverteilt. Solche Behauptungen sind infam, denn Erwerbslose und
Geringverdiener zahlen so gut wie keine Steuern und "verteilen" somit
auch nichts.
Absurd
ist in diesem Zusammenhang auch der Verweis auf die Mehrwertsteuer,
die schließlich alle Bürger beim Kauf von Waren und
Dienstleistungen entrichten müssen.
Es
gehört schon eine gehörige Portion Unverfrorenheit und
Geschmacklosigkeit dazu, Hartz-IV-bzw. Bürgergeldbezieher aus
diesem Grund als gebeutelte Steuerzahler darzustellen. Denn die
Mehrwertsteuern wurden schließlich bei den staatlichen
Sozialhilfen berücksichtigt (die Zahlungen entsprechend
aufgestockt).
Man könnte theoretisch auch die Sozialhilfen um die eingepreiste
Mehrwertsteuer kürzen und dann die Hartz-IV-Bezieher von der
Mehrwertsteuer befreien. Der bürokratische Aufwand für
dieses Prozedere wäre aber viel zu hoch.
PS: Was meistens unbeachtet bleibt: Besserverdiener werden nicht nur mit horrend hohen Abgaben bestraft, sie werden fortwährend benachteiligt und als Melkkuh der Nation verstanden.
Zum Beispiel bezüglich der Unterstützung Angehöriger (wenn Eltern zum teuren Pflegefall werden), bei der Nichtgewährung sozialer Wohltaten, bei der Versteuerung von Zinseinkünften (die nicht einmal die Inflationsrate abdecken) aus bereits versteuerten Einkommen. Gestraft werden sie zudem durch die Billigzinspolitik der Zentralbanken, die mit ihrer unerschöpflichen Kunstgeldkonkurrenz die Marktzinsen für echtes Geld in den Keller treiben und somit Sparer und die Besitzer von Lebensversicherungen schleichend enteignen. Zählt man alles zusammen, so stehen sich manche Besserverdiener kaum besser als Normalverdiener oder Hartz-IV-/Bürgergeld-Familien.
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©
Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung
August 2011
Es
wäre schlimm, wenn sich in unserer Scheindemokratie
vor allem die Lobbyverbände, Leitmedien, Phantasten, Demagogen,
gewieften Rhetoriker und lauten Fanatiker durchsetzen. Und die
Vernunft dabei zusehends auf der Strecke
bleibt.