Translater:
"Aber das stimmt doch gar nicht, der Reallohn ist doch deutlich gestiegen..."
Warum so viele Leute nicht wahrhaben wollen, dass der Reallohn seit 1980 in Deutschland um über 15 Prozent gesunken ist...
Leider werden von Politikern und Publizisten unliebsame Realitäten gerne ausgeblendet und zur Beruhigung verschleiernde Bilanzen aufgetischt. Nicht einmal das deutliche Absinken der Nettolöhne seit 1980 will man sich und dem Volk eingestehen. Getrickst wird bei diesen Vertuschungen mit allen Mitteln. Einige Beispiele:
Tabuthema
Reallohn:
1.
Darf man die Inflation ignorieren?
Lohnanstiege
lassen sich leicht vortäuschen, indem man einfach die
Inflation unberücksichtigt lässt.
Tabuthema
Reallohn:
2.
Brutto statt netto...
Das
gleiche geschieht mit der Nichtberücksichtigung von Abzügen
- dem beliebten Brutto-Verwirrspiel. Aber was nützt ein
höherer Bruttolohn, wenn netto immer weniger übrigbleibt?
Schon die kalte Progression (der Umstand, dass durch die Inflation
Erwerbstätige in höhere Steuerklassen rutschen) erhöht
die Abgabenlast.
Tabuthema
Reallohn:
3.
Bundesdurchschnitt statt ehrliche Einkommensentwicklung der einzelnen
Berufssparten...
Es
werden keine berufsspezifischen Vergleiche angestellt, sondern
die allgemeine Einkommensentwicklung aller
sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
Es wird also der heutige Diplomingenieur mit dem damaligen
Fließbandarbeiter in einen Topf geworfen. Ein völliger
Schwachsinn! (Die Zahl der Abiturienten hat sich seit den 1950er
Jahren fast verzehnfacht.)
Aber trotz aller Tricks: Sogar der Durchschnittslohn ist
gesunken! Obwohl sich die Produktivität seit 1980 mehr als
verdoppelt hat! Aber Statistiken darüber werden wohlweislich
vermieden.
Die
beliebte Masche: Unberücksichtigt
bleibt dabei auch, dass ein Akademiker aufgrund seiner
langen Ausbildung auf weit weniger Berufsjahre kommt als
ein Facharbeiter.
Man ignoriert die Lohnentwicklung in den einzelnen
Berufssparten und bilanziert das gesamte
Volks-Arbeitseinkommen. Man missachtet damit die stetig
steigende Qualifizierung der Bundesbürger.
Allein um diese Differenz auszugleichen, müsste er
netto 25 % mehr verdienen.
Seit
42 Jahren sinken die Reallöhne "Wir
profitieren von der Globalisierung!"
(vom
Zollabbau) "Wir
profitieren von der EU!" "Wir
profitieren vom Euro!" Welch
eine Verlogenheit! Welch ein Zynismus!
und
immer noch heißt es:
4.
Reallohnentwicklung: Höhere Zuzahlungen und schlechterer
Versicherungsschutz fallen unter den Tisch...
Es
werden keine Sonderregelungen berücksichtigt. Die
Selbstbeteiligung im Gesundheitswesen wurde zum Beispiel
zunehmend ausgebaut (Zuzahlungen zu Arzneien, Praxisgebühr,
Zahnersatz, keine Kostenbeteiligung bei Sehhilfen usw.), die
Leistungen teilweise gekürzt (zum Beispiel Einsparung des
Sterbegeldes). In vielen Bundesländern wurde ein kirchlicher
Feiertag ersatzlos gestrichen und dem "Fortschritt"
geopfert.
Tabuthema
Reallohn:
5.
Selbst die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bleibt unbeachtet
Die
Schichtarbeit wurde deutlich erweitert und die diesbezüglichen
Erschwerniszuschläge abgesenkt. Im
Durchschnittslohn-Eintopf von heute befinden sich also viel mehr
Schichtarbeiter als früher (dennoch sind die Reallöhne
trotz höherer Qualifikation gesunken). Ebenso haben Firmen
laufend Personal eingespart auf Kosten der anderen Mitarbeiter -
Leistungsdruck und Stress sind stetig gewachsen.
Tabuthema
Reallohn:
6.
Abbau der übertariflichen Leistungen...
1980
waren übertarifliche Leistungen von 10 bis 20 % bei
vielen Firmen Pflicht (weil sie sonst keine Leute fanden). Heute ist
es umgekehrt, es wird oft genug unter Tarif gezahlt. 1980 wurden die
reichlich gemachten Überstunden mit hohen Aufschlägen
ausbezahlt, heute erwarten viele Chefs unbezahlte
Überstunden.
1980 überboten sich die Firmen mit großzügigen
Sozialleistungen (billige Firmenwohnungen, Firmenwagen-Nutzung,
Betriebsrenten, subventioniertes Kantinenessen, Fahrgeldzuschuss
usw.). Heute sind derlei Draufgaben weitgehend unbekannt.
Tabuthema
Reallohn:
7.
Und sogar der Rentenanspruch fällt geringer aus
Ist in
irgendeiner Statistik der Einkommensentwicklung schon jemals
berücksichtigt worden, dass schließlich auch die
erarbeiteten Rentenansprüche spürbar einbrechen?
Dabei gehört dieser Aspekt doch unmittelbar dazu! Die Renten
sind seit gut drei Jahrzehnten stetig abgesunken. Wer heute malocht,
bekommt trotz hoher Beitragszahlungen später vielleicht nur eine
Rente auf Hartz-IV-Niveau (dann waren sämtliche
Beitragszahlungen für die Katz).
Heute erwartet der Staat von den Arbeitnehmern den Aufbau einer privaten Zusatzrente, die die Betroffenen natürlich aus eigener Tasche bezahlen sollen (trotz stetig sinkender Reallöhne). Die für die Zusatzrente aufgewendeten Gelder (erforderlich wären im Durchschnitt etwa 200 Euro monatlich) müssten also vom heutigen Nettolohn abgezogen werden, um einen sauberen Vergleich mit 1980 zu ermöglichen. Davon abgesehen: Die hochriskante Billiggeldschwemme der EZB, die die europäische Wirtschaft vor dem Zusammenbruch bewahren soll, macht eine private Altersvorsorge fast unmöglich (führt auch in dieser Hinsicht zu starken Verlusten).
Tabuthema
Reallohn:
8.
Was wäre, würde die Inflation fair berechnet
Dann
würde diese und damit auch der echte Kaufkraftschwund (Reallohn)
weit höher ausfallen. Unglaublich,
wie auch an dieser Stellschraube getrickst und mit neuen
Berechnungskriterien der gutgläubige Bürger veräppelt
wird.
Es ist schon seltsam: Seit 1980 sind unsere Durchschnittslöhne angeblich kräftig gestiegen und das Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 1980 sogar verdreifacht. Und dennoch müssen 2022 mehrfach Entlastungspakete geschnürt werden (auf Pump natürlich), weil Durchschnittsverdiener nicht einmal mehr die Preise für Nahrungsmittel und Energie stemmen können. Wie reimt sich das alles zusammen? Haben sich die amtlichen Erfolgsstatistiken völlig von der Realität abgekoppelt und führen sie damit zu falschen Schlussfolgerungen? Ging es stets nur darum, den Nutzen des Zollfreihandels, der EU, des Euro, der Massenzuwanderung, des globalen Lohn- und Steuerdumpings usw. vorzutäuschen? All diese radikalen Ideologien wurden doch als absolute Glücks- und Wohlstandsbringer gehandelt. "Gerade Deutschland profitiert ganz besonders davon!" hieß es gebetsmühlenhaft. Fällt das Gespensterhaus der Lügen endlich in sich zusammen?
Die
Reallohneinbußen sind viel höher als amtlich eingestanden
Allein
schon an dieser kleinen Aufzählung (die sich munter
fortführen ließe) wird deutlich, wie sehr amtliche
Statistiken von der Wahrheit entfernt sind. Zwar lassen einige
veröffentlichte Zahlen bisweilen durchblicken, dass die
Reallöhne in den letzten 15 oder 20 Jahren nicht gestiegen sind
- das ganze Ausmaß der Tragödie wird aber nicht
preisgegeben (wie würde die Öffentlichkeit wohl darauf
reagieren?).
Berücksichtigt man alle relevanten Faktoren, kommt man in den meisten Berufszweigen sicherlich auf einen realen Einkommensverlust in Höhe von 20 bis 30 %. Sogar das durchschnittliche Erwerbseinkommen in Deutschland dürfte entsprechend gesunken sein. Aber leider gibt es darüber keine amtlichen Zahlen oder sie werden einfach nicht herausgerückt. Dabei handelt es sich doch hier um einen äußerst wichtigen, systemrelevanten Aspekt.
Ohne
die Arbeitssklaven aus Osteuropa wären die Lohn- und
Renteneinbußen noch höher
Gäbe
es nicht inzwischen die vielen Millionen Arbeitssklaven aus
Osteuropa, die auf das Gerücht vom Arbeitskräftemangel
hereingefallen sind und sich nun als Scheinselbständige,
Leiharbeiter, Schwarzarbeiter oder Tagelöhner durchschlagen und
oft Stundenlöhne von vier bis acht Euro akzeptieren müssen,
wären unsere Reallöhne und Renten noch stärker
gesunken. Denn die armen Billiglöhner sind es
schließlich, die auf das Preisniveau drücken und die
Inflationsrate in Schach halten. Unser Fleisch zum Beispiel wäre
deutlich teurer, würden in deutschen Schlachthöfen und
Fleischzerlegebetrieben grundsätzlich faire Tariflöhne nach
altem westlichem Standard gezahlt. Nochmals: Vor 40 Jahren, als es in
Deutschland noch angemessene Zölle und einen intakten
Binnenmarkt gab, waren nicht nur die Löhne und Renten höher
- die deutsche Bevölkerung hatte es auch nicht nötig, einen
Teil der Gesellschaft erbarmungslos auszubeuten.
Die
Aktienkonzerne geben den Ton an!
Auffällig
ist, dass vornehmlich die Lenker und Mitarbeiter der Aktienkonzerne
vom allgemeinen Lohnabbau verschont blieben.
Fließbandarbeiter in den Autofabriken zum Beispiel kommen oft
auf deutlich höhere Jahres-Nettoeinkommen als Ärzte,
Apotheker, Juristen, Architekten usw.Angesichts der Interessenlagen
darf es nicht verwundern, warum die Globalisierung und die EU von
vielen Leuten so vehement verteidigt werden und wer hinter der
einseitigen Propaganda steckt.
Liebe Politiker, werte Ökonomen und Journalisten,
gesteht endlich ein, dass die realen Nettolöhne seit 1980 um mindestens 20 Prozent gesunken sind, obwohl sich die Produktivität in dieser Zeit verdoppelt hat.
Vergleicht nicht Äpfel mit Birnen! Ein Informatik-Ingenieur, der mit 28 Jahren erst richtig zu verdienen anfängt und im besten Fall auf 35 Berufsjahre in seinem Leben kommt, darf nicht gleichgesetzt werden mit einem Facharbeiter vor 40 Jahren, der bereits als 18jähriger gut verdiente. 10 Jahre zusätzliche Ausbildung bedeuten nicht nur 10 Jahre Verdienstausfall, sondern auch beträchtliche zusätzliche Kosten während der langen Schul- und Studienzeit.
Aufrichtig
und ehrlich wäre es, das Nettoeinkommen eines Kfz-Mechanikers,
einer Bürokauffrau, einer Verkäuferin, eines Ingenieurs von
1980 berufsspezifisch mit dem inflationsbereinigten Nettolöhnen
von heute zu vergleichen (wobei natürlich auch die
schlechteren Kranken- und Rentenleistungen berücksichtigt werden
müssten).
Nur
eine solche Statistik macht wirklich Sinn!
Aber das traut sich keiner - die Wahrheit tut weh und ist
unerwünscht. Denn die Bevölkerung könnte erkennen,
dass die Globalisierung und die EU (der weitgehende Verzicht auf
Importzölle) uns alles andere als einen zusätzlichen
Wohlstand bescheren.
Offizielle
Daten:
Brauchbare Daten über die Reallohnentwicklung gibt es
eher selten und nur für bestimmte Zeiträume. Laut
tagesschau.de soll es in den Jahren 1995 bis 2004 in
Deutschland zu einem Rückgang von 0,9 % gekommen sein -
aber eben mit der Einschränkung, dass es sich dabei um
Bruttolöhne handelt und den "durchschnittlichen
Arbeitnehmer" (also wurden die höheren Qualifikationen,
Erschwernisse wie häufigere Schichtarbeit usw. nicht
berücksichtigt).
Wie wir alle wissen, ging der Abstieg nach 2004 trotz
besserer Wirtschaftslage munter weiter, und in der Zeit von
1980 bis 1994 gab es ihn leider auch schon.
Das
Bundesarbeitsministerium räumte im Jahr 2006
ein, dass die Nettoreallöhne in den 20 Jahren
zuvor (also in den Jahren 1986 bis 2005) nicht gestiegen
seien.
Aber
auch hier wurden viele Dinge nicht berücksichtigt
(höhere durchschnittliche berufliche Qualifikation,
höhere Arbeitsanforderungen, mehr Schichtarbeit, mehr
unbezahlte Überstunden, weniger Betriebsrenten und
andere betriebliche Sozialleistungen, gesunkene
Altersrentenansprüche, längere Lebensarbeitszeit,
ein Feiertag abgeschafft, kein Sterbegeld, Zuzahlungen bei
Arzneien usw.).
Im Spiegel Heft 29/2016 wird beklagt, wie sehr sich doch die
Verhältnisse der jungen Generation im Vergleich zu den
1980er Jahren verschlechtert haben. Aber anstatt zu
ergründen, warum das so ist, wird lapidar
erklärt, es gäbe halt kein Anrecht auf einen
steten Wohlstandsanstieg.
Die Frage nach den Ursachen für die Verschlechterung
scheint den Medien generell nicht ins Konzept zu passen.
Denn bei einer fairen Analyse müsste man ja vielleicht
die Notwendigkeit und Nützlichkeit der EU und der
Globalisierung infrage stellen.
"Welchen Wert haben Auseinandersetzungen über die Globalisierung und die wirtschaftlichen Probleme Deutschlands, wenn das herausragende Phänomen der sinkenden Reallöhne bei steigender Produktivität einfach ignoriert oder geleugnet wird?"
Wem
glauben Sie?
Haben
diejenigen Recht, die die Wohlstandsmehrung der letzten Jahrzehnte
bejubeln? Oder sind Sie gleich mir der Meinung, dass die
Reallöhne und Renten sich auch in Deutschland seit 1980
rückläufig entwickeln - trotz aller produktiven
Fortschritte.
Ist
das alles gar nicht so wichtig?
Halten
Sie es für notwendig, die Ursachen des schleichenden Niedergangs
zu hinterfragen? Oder glauben Sie, dies sei alles gar nicht so
wichtig, man könne sich getrost auf die Aussagen der Politiker
und Medien verlassen, die haben doch alles im Griff? Ich vertrete
die Ansicht, die Entwicklung der Kaufkraft ist ein Stützpfeiler
der neoliberalen Beweiskette (Propaganda). Darauf bauen deren
Beschwichtigungsparolen auf ("Noch nie ging es uns so gut wie heute!"
bzw. "Deutschland profitiere ganz besonders vom
europäischen und internationalen Dumpingwettbewerb, der EU, dem
Euro, der Zuwanderung, Bürokratisierung, der Monopolisierung
usw.!").
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Impressum
©
Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung
2007, Zahlen 2016 aktualisiert
Manfred Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Demokratie, Kapitalismus und Politik.
Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.
Bücher
von Manfred J. Müller
Deutschland
ist derart sozial, dass erwerbslose Bürgergeld-Familien* sich
oft (wenn nicht gar meistens) finanziell besser stehen als
vergleichbare Durchschnittsverdienerhaushalte. Dazu passt:
Deutschland hat das sozialste und freizügigste Asylrecht der
Welt.
*
Ebenso lohnt es sich für viele "Aufstocker" nicht im Geringsten,
Vollzeit zu arbeiten.